Verkehrspolitik benachteiligt Arme

Das heutige Verkehrssystem in Deutschland weist zahlreiche soziale Ungerechtigkeiten auf. Zu diesem Schluss kommt ein Positionspapier des Umweltbundesamtes (UBA). Insbesondere Haushalte mit niedrigen Einkommen seien benachteiligt, beispielsweise weil sie häufiger an Straßen mit höherem Verkehrsaufkommen und damit höheren Lärm- und Luftschadstoffbelastungen wohnten – obwohl sie selbst oftmals kein Auto fahren würden. Dirk Messner, Präsident des UBA: „Haushalte mit niedrigen Einkommen, Kinder, ältere Menschen, Frauen und Menschen ohne Auto, gerade in ländlichen Räumen, sind die Verlierer des heutigen Verkehrssystems. Mit einer Verkehrswende hin zu einer ökologischeren Mobilität schließen wir diese Gerechtigkeitslücke und schützen Umwelt und Klima.“

https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/styles/800w400h/public/medien/479/bilder/umweltschaedliche_subventionen_in_deutschland.png?itok=2Uvk8USS&c=76777b56d1702a4993282536781cc451
Umweltschädliche Subventionen in Deutschland, Quelle UBA

Die taz schreibt dazu:
Eigentlich war es eine gute Nachricht, die das Umweltbundesamt (UBA) im September hätte verkünden können: Auch im Verkehrssektor, wo die Emissionen im Vergleich zu 1990 nicht gefallen, sondern sogar gestiegen sind, können die geplanten Klimaziele erreicht werden, hatten die Expert*innen aus Deutschlands oberster Umweltbehörde berechnet.

Doch verbreiten durften sie die frohe Botschaft im Sommer nicht, die sie nun in einem Positionspapier veröffentlicht haben. Das Bundesumweltministerium, dem das UBA untersteht, untersagte die Veröffentlichung. Als offiziellen Grund nennt ein Sprecher des von Svenja Schulze (SPD) geführten Ministeriums die Vereinbarung der Regierung, dass jedes Ministerium für seinen eigenen Bereich Vorschläge vorlegen sollte – für den Verkehrssektor wäre also CSU-Minister Andreas Scheuer zuständig gewesen. Vorschläge des Umweltbundesamts im Verkehrsbereich „hätten dieser Verabredung widersprochen“.

Dass das Umweltministerium die Vorschläge der eigenen Behörde nur aus diesem formalen Grund zurückgehalten haben will, überrascht allerdings. Denn ihr Ministerium trägt nun einmal die Hauptverantwortung für die deutschen Klimaschutzziele.

Der wahre Grund für die Zurückhaltung dürfte ein anderer sein: Auch in der SPD haben viele kein großes Bedürfnis, sich zu sehr mit den Autofahrer*innen anzulegen. Denn die beantworten jede Einschränkung ihrer als Grundrechte empfundenen Privilegien mit scharfem Protest. Da kann es ganz gelegen kommen, wenn für diese Zumutungen ein CSU-Minister verantwortlich ist.

Und dass den Autofahrenden einiges zugemutet werden muss, um die Klimaziele im Verkehrssektor zu erreichen, daran lassen die Expert*innen aus dem Umweltbundesamt keinen Zweifel. Von derzeit 162 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr sollen die Emissionen im Verkehrssektor bis 2030 auf 95 bis 98 Millionen Tonnen sinken. Die bereits auf EU-Ebene beschlossenen niedrigeren Verbrauchsvorgaben für Pkws und Lkws, auf die Scheuer stets verweist, bringen davon nur 10 Millionen Tonnen.

Den größten Effekt hätte eine deutliche Erhöhung der Mineralölsteuer: Bis 2030 muss sie laut UBA um etwa 60 Cent pro Liter steigen, was einem Preis von 205 Euro pro Tonne CO2 entspricht. Die Bundesregierung hat in ihrem Klimapaket aber aus Angst vor der Auto-Wut zum Einstieg ganze 10 Euro pro Tonne beschlossen, was den Liter Treibstoff zunächst nur um 3 Cent verteuert. Von der geforderten Bonus-Malus-Regelung, die dreckige Autos teurer und saubere billiger machen würde, hat sich die Groko nur an den Bonus getraut und auf den Malus verzichtet – was die Maßnahme sowohl teuer als auch weniger effektiv macht. Die Entfernungspauschale, die das UBA abschaffen will, um weites Pendeln nicht mehr zu belohnen, wurde im Rahmen des Klimapakets stattdessen erhöht. Und die Abschaffung der steuerlichen Förderung großer Dienstwagen war innerhalb der Bundesregierung ebenso chancenlos wie ein Tempolimit von 120 Kilometern pro Stunde.

https://taz.de/Positionspapier-des-Umweltbundesamtes/!5643907/

Download: https://www.umweltbundesamt.de/sites/default/files/medien/376/publikationen/2020_pp_verkehrswende_fuer_alle_bf_02.pdf

UBA Website: https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/aktuelle-verkehrspolitik-benachteiligt-menschen

und https://www.kfd-bundesverband.de/fileadmin/Media/Themen/Nachhaltigkeit/Klimaschutzpaket/Positionspapier_Klimaalllianz_Klimafreundliche_Mobilitaet_fuer_alle.pdf

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