Unter der Rubrik „IM FOKUS: FEUER + FLAMME MIT UND FÜR GENOSSENSCHAFTEN“ erschien dieser Bericht von Lisa König-Topf in der Zeitschrift GENIAL.
Die Macher der Bürgerenergiegenossenschaft UrStrom in Mainz verbindet vieles, aber vor allem das Streben nach einer Energie- und Mobilitätswende in Bürgerhand.
Als die heutigen Gründer der UrStrom eG. 2010 in Mainz zusammentrafen, da verband sie eines ganz besonders: der Wunsch und die Vision, die Energiewende zu befördern.
Heute, zehn Jahre später, können die Macher der Genossenschaft auf die Fotovoltaikanlagen einiger Gewerbedächer blicken und stolz auf das Erreichte sein, auf die Herausforderungen, die sie gemeinsam überwunden haben.
Weniger umtriebig macht sie das allerdings nicht. Denn die gemeinsame Vision ist präsenter denn je und bildet den Antrieb für all die Anstrengungen, die im Sinne der Energiewende unternommen werden. ,,Es ist ein Herzensprojekt, eine Idee, die jeder von uns UrStrom-Machern im Kopf trägt, ganz egal ob bei der Arbeit oder im eigenen Freundeskreis erklärt Christoph Würzburger, Vorstand für Technik und Projektakquise.
,,Die Rendite der Projekte ist dabei nicht maßgeblich für uns. Für uns zählt, die potenziale im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten voll auszuschöpfen.“ Würzburger ist studierter Diplom-Geograf und arbeitet hauptberuflich als Filmemacher für Umweltthemen beim Südwestrundfunk. Den Vorstand bei UrStrom führt er, wie die meisten Vorstände von Energiegenossenschaften, ehrenamtlich. Das Fernsehen reichte ihm irgendwann nicht mehr, erzählt er.

Er wollte nicht nur über die Energiewende berichten, sondern sie auch selbst vorantreiben. Und so belegte er 2O1O einen Kurs zur Ausbildung in der Gründungsberatung für Energiegenossenschaften in Mainz. Dort lernte er auch Dr. Verena Ruppert kennen. Sie ist heute die Vorsitzende des Aufsichtsrats und führt seit 2012 außerdem die Geschäfte des Landesnetzwerks der Bürgerenergie-Genossenschaften Rheinland-Pfalz (kurz: LaNEG). Jeder der Macher bringt sein spezielles Knowhow in die Genossenschaft ein – sei es technisches Wissen oder Netzwerkfähigkeiten. Durch Wissen und Herzblut funktioniere das ehrenamtliche Prinzip der Genossenschaft, bestätigen Ruppert und Würzburger.
Sonnenstrom vom eigenen Dach
Das Kerngeschäft von UrStrom liegt in der Umsetzung von Fotovoltaik Projekten. Die größte Anlage ist gleichzeitig eine ganz besondere, denn sie wird derzeit auf dem Dach eines Papierverarbeiters betrieben. Das war im Vorhinein mit einigen Herausforderungen verbunden, insbesondere was die Haftungsthemen betrifft. Doch auch wenn die Ausgangslage auf den ersten Blick nicht so prekär ist, scheuen sich Unternehmen oft vor der Umsetzung eines Fotovoltaikprojektes auf dem eigenen Dach. ,,Den Firmen fehlen oft das Knowhow und die Bereitschaft, in betriebsfremde Geschäftszweige zu investieren“ analysiert Verena Ruppert. ,,Hier kommt die Bürgerenergiegenossenschaft ins Spiel: Wir setzen die Fotovoltaikprojekte ressourcensparend für die Betriebe um, verbessern mit den Anlagen die Klimabilanz des Unternehmens und machen es so zum Förderer der regionalen Energiewende“.
Die Zusammenarbeit mit einer Bürgerenergiegenossenschaft bietet den Unternehmen außerdem natürlich auch einen wirtschaftlichen Mehrwert, denn der eigene Strombedarf wird direkt gedeckt und überschüssige Energie gegen eine EEG-Vergütung ins Netz eingespeist. Doch um die regionale Energiewende weiter voranzutreiben, wäre eine engere Zusammenarbeit mit den Städten und Kommunen wünschenswert. ,,Auch öffentliche Gebäude, wie Schulen, sind natürlich für Fotovoltaikprolekte prädestiniert“, bestätigt Würzburger.
E-Carsharing in Bürgerhand
Neben den Fotovoltaikprojekten betreibt UrStrom seit knapp zwei Jahren noch ein zweites Herzensprojekt, den E-Carsharing-Anbieter ,,UrStrom-Mobil“. Gestartet wurde das E-Carsharing im Mainzer Stadtteil Hartenberg in einem generationenübergreifenden Wohnpro1ekt. „Wir haben zunächst Infoveranstaltungen in verschiedenen Wohnprojekten in Mainz gehalten“, erzählt Christoph Würzburger. „Die Voraussetzung für uns war, dass es eine Gruppe von Leuten geben musste, die sich gemeinsam für die Umsetzung bereiterklärt“.

Die größte Herausforderung sei derzeit die Stellplatzsuche, da sich nur bei einem langen Mietvertrag auch die hohen Investitionskosten für die Errichtung einer Ladesäule lohnten. Auf öffentlichen Flächen sei ein stationsbasiertes E-Carsharing derzeit noch nicht möglich. Den Kabinettsbeschluss gäbe es zwar bereits, doch das Parlament müsse noch zustimmen und die Kommunen es umsetzen, sagt Verena Ruppert.
Die UrStrom-Mobile sind derzeit außer auf dem Hartenberg noch an Standorten in der Mainzer Neustadt und an der Technischen Universität in Bingen zu finden. Weitere Standorte sind geplant: ,,Wo auch immer sich eine Handvoll Menschen findet, die ihre Mobilität ernsthaft umweltfreundlicher gestalten wollen, sind wir dabei“‘ meint Christoph Würzburger. Betrieben werden die Ladesäulen mit Ökostrom, den die Genossenschaft produziert.
Die Nutzer können die Elektroautos ganz einfach über eine App buchen. Das zugehörige System dazu kommt aus Europa und wurde für die deutsche Nutzung weiterentwickelt. Die Anwendung für die Abrechnung hat der Geschäftsführer von UrStromMobil, Klaus Grieger; selbst mitentwickelt. „Die App bietet den Genossenschaften eine große Unterstützung, denn gerade die Abrechnung bereitet den Unternehmen oft Schwierigkeiten“, berichtet Verena Ruppert. „Darin steckt viel Entwicklungs- und Aufklärungsarbeit. Wir setzen alles daran, dass sich noch viele Bürgerenergiegenossenschaften anschließen und die App deutschlandweit genutzt wird“.
Hierfür hat die Genossenschaft in Zusammenarbeit mit dem Landesnetzwerk Bürgerenergiegenossenschaften in Rheinland-Pfalz die Initiative „,eCB“, E-Carsharing in Bürgerhand, gegründet. Die Idee: Nicht gewinnorientierte Konzerne, sondern Genossenschaften sollen E-Carsharing auf den Weg bringen. Die jeweiligen E-Carsharing-Standorte sollen nach Bedarf dort entwickelt werden, wo es Interessenten gibt: Mieterinnen und Mieter im Quartier Hochschulen, Kommunen, Unternehmen.
„Wir wollen eCB bekannter machen und Genossenschaften, auch in anderen Bundesländern, dazu ermutigen, sich anzuschließen“.
Lisa König-Topf, GENIAL Ausgabe 2-2020
